Last Updated on 21/02/2025 by Lea

Mit echten Geheimtipps ist es so eine Sache. Entweder sie sind ohnehin bereits als Geheimtipp bekannt (und somit nicht mehr geheim), oder aber komplett unbekannt und es stellt sich die Frage: wie gut ist der Tipp wirklich? Ich behaupte jedenfalls, das Valsertal ist ein Geheimtipp. Aber macht euch am besten selbst ein Bild davon…

Das kleine Seitental des Wipptals liegt kurz vor der italienischen Grenze am Brenner. Hier, wo nur eine schmale Straße ans Talende führt, gibt es überraschend viele Geschichten, alte Traditionen und engagierte Menschen, die diese aufrecht erhalten wollen. Und bei genau diesen bin ich an einem heißen Juli Wochenende zu Gast. Wir parken am Ende des Tals am Wanderparkplatz, wo unweit entfernt auch der Bus seine Endstation hat. Direkt beim einzigen Restaurant im Tal, der Touristenrast (!) hält die Linie 4144 und das mehrmals täglich. Im Sommer gibt es zusätzlich die Möglichkeit einen Wanderbus zu nutzen.

Im Sommer auf der Alm helfen

Das morgendliche Bergidyll ist perfekt: am Talboden ziehen die letzten Nebelschwade auf und davor, zwischen den Grauerlen weidet Tiroler Grauvieh. Und ein Stück weiter oben warten Helgas Ziegen darauf ihren Tag im Freien zu beginnen.

Das Valsertal mit seinem besonderen Grauerlenwald wurde bereits 1942 unter Naturschutz gestellt. Heute ist es Teil eines „Natura 2000“ Naturschutzgebiets. Wanderer gehen von hier zB zur Geraerhütte (in Richtung Olperer/Zillertal) oder über die Zeisch ins Pfitschertal in Südtirol (zB Europahütte entlang des Geistbeckwegs, 5h). Aber auch für Spaziergänge zum Wasserfall oder einfach barfuß durch den Grauerlenwald eignet sich das Gebiet.

Bei meiner Ankunft finden gerade die Schnuppertagen der „Schule der Alm“ statt und Werner (Tirol isch toll Blog) hat mich eingeladen mich hier umzusehen. „Es geht uns darum, das uralte kulturelle Erbe unserer Ahnen zu erhalten: die Bergmahd und die Almen“  erzählt er, seines Zeichens Obmann des Vereins der Schule der Alm. Und Helga ergänzt „und mir auch darum, dass meine Ziegen, ein gscheites Futter im Winter haben“. Die industrielle Landwirtschaft zwingt immer mehr Bauern zur Aufgabe ihrer Höfe oder zur kompletten Umstellung auf Maschinen, mühsame zu mähende Bergwiesen verwildern. Nun liefern ebendiese Wiesen aber nicht nur bestes Futtermaterial, intakte Bergmähder sind auch ein guter Schutz gegen Naturgefahren wie Muren und Lawinen. Deswegen versucht man im Valsertal mit der Aktion „Schule der Alm“ auf die Sitation aufmerksam zu machen und das alte kulturelle Erbe am Leben zu erhalten. Was dafür alles notwendig ist, werden wir in den nächsten Stunden lernen.

Helgas Alm im Valsertal, Tirol

Auf der Nockeralm gibt es frischen Ziegenkäse, köstliche Weine und gute Gedanken zum Thema Umweltschutz und Nachhaltigkeit. Es ist der Ausgangspunkt des heutigen Tages, hier schlüpfe ich in eine lange Hose, schnüre meine hohen Wanderschuhe fest zu und packe eine Wasserflasche in meinen Rucksack.

Helgas Ziege am frühen Morgen.

Bergmahd & Zäune errichten

Nachdem alle Teilnehmer mit Sensen ausgerüstet sind folgen wir im Gänsemarsch Luis, der den Takt angibt und einen schnellen Schritt bergauf vorlegt. Bei ihm sitzt jeder Handgriff, sein Geschick beim Sensen und Zäune errichten lässt uns alle erstaunen. Mit etwas Übung bekommen wir es aber auch hin. Immerhin soweit um hilfreich zu sein.

Steil bergauf geht es mit den Sensen auf die Mahd.

Sensen lernen

Sensen will gelernt sein und nicht jedes Kraut lässt sich gleich gut schneiden. Wenig Kraftaufwand, eine Bewegung aus der Hüfte, oft nachschleifen und bloß die Blasen an den Händen vermeiden. Es ist nicht einfach. Außer für Klaus, einem der Freiwilligen aus Berlin, ihm scheint das Sensen im Blut zu liegen. Gut so, denn er ist nicht zu stoppen. Die meisten Teilnehmer kommen von weit her und tendenziell eher aus Städten. Sie suchen die Abwechslung, wollen mithelfen und interessieren sich für Tätigkeiten, die, die Einheimischen hier Jahrhunderte lang als selbstverständlich angesehen haben. Im letzten Jahrhundert haben viele Bauern die Bergmahd eingestellt (Filmtipp an dieser Stell: Bauer Unser) und die Wiesen verkommen lassen. Das soll sich jetzt ändert, doch der Prozess ist ein langwieriger und die Arbeit kaum leichter als noch vor 100 Jahren.

Nach dem Sensen geht es weiter den Berg hinauf. Wir steigen durch den Wald zu einer Stelle, an der Luis bereits ein Stück Fichte vorbereitet hat. Mit Keilen wird der runde Stamm nun in 8 Teile gespalten. Eine Kunst für sich. Die Spalten dienen später (und ein ganzes Stück weiter oben am Berg) zum Zaunbau. Um das Holz dorthin zu transportieren, wo es gebraucht wird, schultern zwei der Männer die schwere Lust auf den alten Holzkraxn. Eine alte, einfache aber sehr effiziente Methode die Stecken von A nach B zu tragen.

Oben bei der kleinen Jagdalm angekommen werden nun Fichtenspalten und Lärchenspalten (die Luis bereits vorbereitet hat) geschickt in einander gesteckt, um ohne Draht, Schnur oder gar einen Nagel einen durchgehenden und festen Zaun zu errichten. Damit auch wirklich keine Kuh durchkommt, müssen diese Zäune stabil sein und das werden sie nur durch die richtige Bautechnik. Ihr vermutet es sicherlich bereits: das ist einfacher in der Theorie als in der Praxis. Gottseidank soll dieser Zaun nur Helgas Ziegen davon abhalten das Dach der Alm zu erklimmen, Kühe werden sobald keine hierher kommen.

Die Kunst des Zäunesteckens

Der Zaun muss im Herbst dann auch wieder abgebaut werden, erklärt Luis. Die Hütte liegt direkt im Lawinenstrich und ist so in den Hang gebaut, dass die Schneemassen einfach über das kleine Häuschen hinweg sausen können. Ein Zaun wäre im Weg und würde kaputt gehen.

Beim Stecken des Zaunes.
Beim Stecken des Zaunes.

Mittagspause mit Ausblick

Mittags dürfen wir uns auf dem gemütlichen Tisch vor der Alm niederlassen und Köstlichkeiten aus Werners Rucksack genießen. Es gibt Ziegenwürste, Speck vom Bauern im Tal, frisches Brot und Käse aus der Bio-Käserei vom Walchsee. Danach ruhen alle in der Wiese. Wie unglaublich anstrengend diese schwere Arbeit doch ist und wie absolut selbstverständlich Luis den Takt vorgibt. Er scheint im wahrsten Sinne des Wortes Superkräfte zu haben.

Nach der Pause steigen wir über den schmalen Waldpfad wieder hinab zu Helgas Alm. Nicht, ohne unterwegs noch ein paar Eierschwammerl einzusammeln, die jetzt Mitte Juli endlich wieder ans Licht kommen. Meine Lieblingsspeise hat wieder Saison!

Auf der Alm gibt es abends nach getaner Arbeit ein gemeinsames Essen: eine Käsevariation aus eigener Produktion, geschmortes Ziegenkitz mit Kräutern, Salat, Kartoffeln und Marillenkuchen. Es schmeckt phänomenal und der Weißwein, der vor der Hütte im Wassertrog kühl gehalten wird, schmeckt köstlich dazu. Anmerkung: Weil es an dieser Stelle den Rahmen sprengen würde, gibt es am Blog in Kürze noch einen eigenen Artikel über die Köstlichkeiten auf Helgas Alm!

Grundkurs Schule der Alm im Valsertal

Wer in den Alm-Alltag reinschnuppern möchte, kann das beim Grundkurs auf Helgas Alm tun. Hier lernt man über die Kräuter, die Ziegenhaltung, das Leben auf der Alm, die Bergmahd und den Zäunebau. Pausen, Lob und die beste Verpflegung inklusive!

Termine 2020

Die Kurse (Pakte samt Übernachtung) können hier online gebucht werden.

Termine für den Schupperkurs 2020

  • Termin 2: 27.08. – 30.08.2020
  • Termin 3: 03.09. – 06.09.2020
  • Termin 4: 10.09. – 13.09.2020

Termine für den Grundkurs 2020

Alle bereits ausgebucht mit einer Ausnahme:

Grundkurs 1 A: 16.07. – 18.07.2020 (Aufenthalt: 15.07. -19.07.2020)

(Anreise jeweils am Vortag des 1. Kurstages, Abreise einen Tag nach dem letzten Kurstag)

Unterkunft

Es gibt in St Jodok/Vals mehrere Gastgeber mit Unterkunftsmöglichkeiten: vom Hotel, über Privatpensionen bis hin zum Urlaub am Bauernhof oder in der Ferienwohnung. Eine Liste mit den Unterkünften gibt es auf der Website des Wipptals, die meisten sind einfach und günstig.

Ich habe bei Textil Eller in St. Jodok gewohnt. Direkt neben dem Bahnhof gelegen ist, mir die Unterkunft beim Klettersteiggehen (Tipp! Die Stafflacher Wand in St Jodok ist für Klettersteig Fans ein MUST DO) bereits vor einigen Wochen aufgefallen.

Mein Zimmer liegt im dritten Stock, direkt unter dem Dach und ist sehr geräumig mit Kühlschrank und einer kleinen Sitzecke. In anderen Worten: ein Vollblut-Vintage-Boutique-Hotel mit persönlichem Touch. Ganz modern, ohne Fernseher. Gäbe es WLAN und eine Website mit Hipster-Dreiecken und einen Instagram Account würde sie sicherlich das Dreifache kosten. So, muss man Oldschool per Telefon (ok, E-Mail gibt es wohl doch auch) reservieren, hat am besten seinen eigenen LTE Empfang am Smartphone dabei und schläft tief und fest unter 40cm dicken Bettdecken.

The simple life. Herrlich und sehr empfehlenswert

Textil Eller
St. Jodok 103
A 6154 St. Jodok in Tirol
Tel.: 00 43 5279 5298
textil@utanet.at

23€ pro Person inkl. Frühstück, nur Sommervermietung!

Weitere Informationen: 

PS: Pinn mich!

Auf Einladung des Wipptals und der Schule der Alm. Alle Meinungen bleiben wie immer meine eigenen.