Last Updated on 04/02/2018 by Lea
Wenn man, wie ich, in Innsbruck wohnt, trifft man ständig Menschen die trainieren. Auf einen Halbmarathon, auf ein Radrennen, einen Pole Dance Wettbewerb, auf einen Snowboard Contest oder gar auf einen Iron Man. Die Wahnsinnigen.
Und dann gibt’s auch noch solche, die nicht nur trainieren, sondern auch wissen, was sie tun. Und anderen beim Training helfen, mit Feuer und Flamme für den Sport brennen. Phil ist einer von ihnen. Zur Zeit ist er als Mountainbike Guide in den Alpen unterwegs, unter dem Jahr arbeitet er als Personal Trainer und seit einiger Zeit ist er Headcoach des OutdoorCircuit Trainings in Innsbruck. Dort trainiert man, wie der Name bereits vermuten lässt, unter freiem Himmel, fernab von grindigen Fitnesskammern und nach Schweiß stinkenden Turnsälen. Eigentlich ideal, wenn man vor hat 24 Stunden zu Wandern…
Nun, nachdem man hinterher bekanntlich immer schlauer ist, weiß ich jetzt auch, dass dieses Konzept mit Training und so auch wirklich Sinn macht. Dann flucht es sich beim Bergauf und brennt beim Bergab auch weniger. Für alle, die ihre erste 24 Stunden Wanderung noch vor sich haben, habe ich mich bei Phil schlau gemacht, was man denn nun eigentlich so alles wissen sollte und tun könnte.
Phil, wer kann eigentlich rein körperlich gesehen 24 Stunden wandern? Da das für gewöhnlich niemand von uns je gemacht hat – wie kann man im Vorhinein feststellen, ob man fit genug für die Wanderung ist?
Rein körperlich gesehen kann jeder halbwegs sportliche Mensch an 24 Stunden Wanderungen teilnehmen. Wichtig ist allerdings seinen Körper zu kennen, zu wissen und abzuklären ob physische Defizite vorliegen und man sollte sich auf jeden Fall auf ein Projekt dieser Art vorbereiten. Da man bei 24 Stunden Wanderungen nicht in den anaeroben Bereich kommt, ist eine sportärztliche Untersuchung nicht zwingend nötig, sofern man sportlich gesehen kein absoluter Neuling ist. Wichtig ist jedoch abzuklären bzw. zu wissen ob man muskulär Schwächen aufweist, die bei großer Belastung zu Reizungen oder Schädigungen führen können.
Gut, das heißt dann für alle, die sich jetzt noch nicht sicher sind: wie wird man denn am besten fit für ein 24 Stunden Wanderung?
Am besten bereitet man sich für das Projekt mit einer Kombination aus Kraftausdauer-Training und Wandern selbst vor. Man sollte bereits im Vorfeld einige Wandertouren planen. Beginnend mit relativ wenig Höhen- und Kilometern sollten die Touren stetig gesteigert werden. Nur so kann man auch wirklich abchecken ob der eigene Körper den Belastungen des Auf- und Abgehens standhält und keine Überlastungserscheinungen auftreten. Zusätzlich zu den Wandertouren sollte man, am besten mit Hilfe eines Fitnesstrainers auf die Bedürfnisse der Muskulatur eingehen. Hier kann ich nur jedem die Durchführung eines „Functional Movement Screens“ ans Herz legen, der muskuläre Dysbalancen aufdeckt. Wenn diese einmal erfasst sind, kann der Trainer mit korrigierenden Übungen einen Trainingsplan erstellen, um das Risiko von chronischen Überlastungen und Entzündungen zu verringern.
Wie lange vorher sollte man mit dem Training anfangen?
Die Vorbereitungszeit sollte mindestens 6-8 Wochen betragen. Je länger die Vorbereitungszeit, desto ökonomischer kann der Körper mit einer solchen Belastung umgehen und umso unwahrscheinlicher werden Verletzungen jeglicher Art. Zusätzlich zu den korrigierenden Übungen sollte der Trainingsplan auf jeden Fall für die Rumpfmuskulatur beinhalten, da diese der Kern („core“) unseres Körpers ist und somit möglichst stark sein sollte. Außerdem würde ich auf jeden Fall darauf achten genügend Übungen kennenzulernen, die der Regeneration (während der Trainingsphase aber auch während des Projekts) dienen.
Ah, regenerieren, ein gutes Stichwort! Wie erholt man sich denn am Besten zwischendurch von der Anstrengung?
Zu den regenerationsfördernden Übungen zählen beispielsweise Mobilisationsübungen für Fußgelenk und Hüfte. Besonders der Hüftbeuger wird beim Wandern sehr beansprucht und sorgt bei zu starker Belastung und zu hoher Spannung im Muskel häufig für starke Rückenschmerzen. Besonders die Arbeit mit der Blackroll (einer Hartschaumrolle zur Selbstmassage) sollte in der Vorbereitungszeit möglichst häufig zum Einsatz kommen. Hierbei werden verklebte Muskelfaszien gelöst und der Muskel ist in der Lage besser zu arbeiten. Auch während der Tour sollte man die Pausen nutzen um die Spannung in den Muskeln nicht zu groß werden zu lassen. Kurze dynamische Dehnübungen für Oberschenkel Vorder- und Rückseite, der Hüftbeuger und der Waden machen absolut Sinn.
Also, am besten in den Pausen nicht komplett auf Stillstand schalten. Hast du noch Tipps für die Wanderung selbst?
Durch einige Wandertouren im Vorfeld kennt jeder sein eigenes Tempo am besten. Wichtig ist beim Wandern in der Gruppe, das man sich nicht zu sehr auf das Tempo von schnelleren Mitstreitern einlassen darf. Allerdings sollte man in der Lage sein ein vorgegebenes Tempo zu laufen, da man sonst nicht innerhalb von 24 Stunden am Ziel ankommt. Pausen sollten in regelmäßigen Abständen und nicht zu lang gemacht werden. Schuhe sollten eingelaufen und die Kleidung, funktionell, schnelltrocknend und erprobt sein. Wichtig ist ein optimaler Flüssigkeitstransport der Funktionsunterwäsche und immer mindestens eine Wechselgarnitur.
Oh ja, der berühmte T-Shirt und Sockenwechseln. Eine Wohltat und fast so gut, wie der Schokoriegel bei aufkommender Grantigkeit. Apropos Essen und Trinken – was ist denn nun besser: Wasser oder isotonische Getränke? Leichte Snacks oder deftiges Hüttenessen?
Was die Ernährung und die Flüssigkeitszufuhr angeht sollte man auf Tour keinesfalls experimentieren. Immer wieder bekommen meine Kunden auf Biketouren oder in Trainingseinheiten Probleme mit der Verdauung und müssen schlimmstenfalls die Tour oder das Training abbrechen. Meistens ist der Grund hierfür das sie anfangen sich haufenweise Powerriegel, Magnesium oder isotonische Sportgetränke zuzuführen. Der Körper ist auf diese Masse nicht eingestellt und es kommt zu Magenkrämpfen, Durchfall, etc.
Wichtig ist es regelmäßig zu trinken. Ich komme am allerbesten mit normalen Wasser klar und würde dies auch jedem weiter empfehlen. Auf den Hütten und bei längeren Pausen empfehle ich Getränke wie gespritzten Apfelsaft, Holler- oder Johannisbeersaft. Alkoholfreies Weißbier ist ebenfalls ein ideales isotonisches Getränk und man erlebt den Berghütten-Weißbier-Flair gleich viel besser. ;-)
Was die Ernährung angeht bin ich mittlerweile absoluter Fan von getrockneten Früchten wie Feigen, Cranberries, Datteln oder ähnlichem. Wichtig ist auch hier nicht darauf zu warten bis das Hungergefühl kommt. Meistens ist es dann schon zu spät! Alle 30 Minuten ein bisschen zu Essen hilft und trägt dazu bei die Torturen zu verdrängen :-) Beim Einkehren in die Berghütten rate ich von deftigem, schweren Essen definitiv ab. Aber auch hier muss jeder die für sich beste Art von Nahrung finden. Nudeln jeglicher Art, Salate oder Polenta bietet sich hier an. Einen Kaiserschmarrn als Nachtisch mit einem Mitstreiter zu teilen macht glücklich und schweißt zusammen! Von Kassspatzn oder Schnitzel mit Pommes rate ich ebenfalls ab.
Gibt es aus deiner Sicht absolute Do’s und Don’ts?
Auf alkoholhaltige Getränke würde ich während der Tour absolut verzichten. Nach getaner Arbeit und am Ziel angekommen, freut man sich umso mehr auf ein kühles Weizen oder ein gutes Glas Wein. Das Rauchen und Sport absolut nicht zusammen passt brauche ich hier glaube ich nicht weiter ausführen. Ich kann nur jeden Raucher bitten, der nicht um eine Gipfelzigarette herum kommt, den Zigarettenstummel nicht in unserer wunderschönen Natur liegen zu lassen sondern ihn ordnungsgemäß zu entsorgen.
Da stimme ich zu, Zigarettenstummel haben am Berg nichts zu suchen. Vielen Dank Phil für deine Tipps und das ausführliche Interview. In Kürze gibt es hier am Blog dann noch die passende Packliste für eine 24 Stunden Wanderung!
Vielen, vielen Dank, das ist genau des was ich gesucht habe für die Vorbereitung!!