Last Updated on 17/10/2019 by Lea
3:45 Dienstagmorgen, der 10. Dezember 2013. Der Tag vorm Spiel
Es ist eine unmenschliche Zeit zum Aufstehen. Und diesmal wartet kein paradiesischer Strand am Ende des Tages auf mich, diesmal geht es zum Fußballschauen nach Marseille. Ich bin hundemüde aber immerhin bestens vorbereitet und lade mir am Weg zum Flughafen noch schnell die offizielle BVB-App um mich noch ein wenig über die Spieler zu informieren. Den Spielerbeschreibungen nach ist jeder einzelne ein absolutes Naturtalent, das am liebsten sein Leben lang nur beim BVB spielen würde. Die richtig spannenden Lebensläufe werde ich erst im Laufe meiner Reise von Hardcore-Fans erzählt bekommen, die mir die Spielerwelt erklären. Bei denen ich aber durchaus durch mein App-Wissen punkten kann.
11:30 Uhr
Stunden später landet mein Flieger aus München in Dortmund. Dortmund ist ein sehr kleiner Flughafen. Der BVB-Flieger steht bereits am Terminal als meine Maschine auf ihr Gate zurollt. „Scheiß BVB“, „solche Fanatiker“ tönt es in der Reihe hinter mir. Der Schal des Herrn verrät seine rot-blau-weißen Sympathien…
Da stehe ich nun am Flughafen in Dortmund und warte. Warte darauf, dass etwas passiert und ich endlich einen Blick auf die Superstars des Fußballs erhaschen kann. Wir sitzen längst aber im Flieger in den hinten Reihen als die endlich auch einsteigen. Nun gut, den Trainer und den Torwart kann ich immerhin erspähen. Wie hieß der noch einmal? Ahja Roman Weidenfeller. Gut, dass es wirklich für alles eine App gibt.
Im Flieger erfahre ich, dass Turkish Airlines auch Sponsor der Gegner des morgigen Abends ist. Da soll noch einmal wer sagen Fußball verbindet nicht! Das Essen am Bord ist ungewöhnlich gut und hätte ich einen Gangplatz würde ich nun überlegen das Klo zu aufzusuchen. Vorne an den Spielern vorbei natürlich… Zu spät, denn wir sind bereits im Landeanflug.
Nun geht alles sehr schnell und nachdem ich endlich am Klo war (das Frauenklo wurde doch tatsächlich von Männern blockiert! Das gibt’s wohl auch nur wenn eine gesamte Fußball Mannschaft mit Fangemeinde zusammenfliegen) ist die Mannschaft auch schon zum Hotel losgefahren. Vor dem Flughafen stehen noch ein paar Fans rum. Glaubt mir, die sind wirklich überall.
Mittwoch 11.12.13 Der Tag des Spiels
Auch als ich am nächsten Tag die Stadt erkunde, laufe ich immer wieder Menschen mit einem gelb-schwarzen Schal über den Weg. Und einem Bier in der Hand. Ich staune nicht schlecht wie viele Fans die Reise auf sich genommen haben, um bei dem Spiel dabei zu sein. Ebenso groß ist das Polizeiaufgebot bereits am Nachmittag in der Stadt.
Und dann am Abend geht es endlich los. Das dritte Fußballspiel in meinem Leben. Schnell noch ein Snack und ein Glas französischen Rosé. Ready. So wie auch der gesamte Bus mit VIPs und Sponsoren, die zur Einstimmung am Weg ins Stadium eine BVB-CD laufen lassen. Ein Best Of so zusagend.
Das Stadium ist brechend voll und das Telefonnetz binnen Minuten überlastet. Schade, das mit dem Live-Tweeten klappt nun doch nicht. Da muss ich meine Kommentare für mich behalten. Oder meine zwei Sitznachbarn.
Die erste Erkenntnis folgt zugleich. Es gibt kein Bier. Nur „sans alcohol“. Bei Champions League Spielen sei das immer so wird mir erklärt. Immerhin verstehe ich jetzt warum bereits am frühen Nachmittag die Fans vorgetrunken haben.
Dabei muss man gar nicht betrunken sein, das Spiel geht los und davor ich mich dazu durchringen kann kurz die drei Stockwerke nach unten zum Klo zu gehen ist auch schon ein Tor gefallen. Dortmund führt, der Pole Lewandovski hat’s gemacht. Erleichterung ringsum. „Na, jetzt ist ja die Spannung weg“ höre ich und denke mir „na toll“. Es dauert keine weiteren zehn Minuten, da ist die Spannung auch wieder da. Marseille hat ein Gegentor erzielt.
„Klarer Torwartfehler“ meint der Herr hinter mir. Da tut er mir fast leid, der Herr mit den schönen Augen, der gestern beim Abendtraining noch so schön jeden Ball gefangen hat…
In der 44. Minute bekommt Dimitri Payet, ein Spieler von Marseille, eine rote Karte. Einer weniger. (Ja, der darf auch nicht mehr ausgetauscht werden, der ist weg.) 10:11 spielen nun um den Ball. Rein theoretisch müsste das nun doch die Sache erleichtern. Davon merkt man aber wenig.
Als die Nachricht kommt, dass Napoli gegen Arsenal führt werden die Menschen im BVB-Sektor um mich stiller. Ist das nun das Ende für Dortmund in der Champions League? Wer ist denn diese 11, erkundige ich mich. „Reus“ – Wie noch? Marco. Achso, ich dachte den spricht man Re-us aus.
Die letzte halbe Stunde vom Spiel ist der Ball ständig vorm Tor der Marseiller. Rein gehen tut er trotzdem nicht. Nervosität macht sich breit. Ich merke dass meine Knie zittern. Es ist kalt. Und auch aufregend.
Und dann kommt Kevin.
Gerade der, der in den YouTube Videos, die ich mir zur Vorbereitung angeschaut habe, keinen einzigen gerade Satz rausgebracht hat, schießt ein Tor. Nein, eigentlich rutscht er etwas aus. Drin ist der Ball trotzdem. Der BVB-Sektor rotiert, eine gelbe Wolke steigt auf und was macht Kevin Großkreuz? Kurz rüber zu den Fans und feiern. Dann geht’s weiter, denn gewonnen ist das Spiel noch nicht.
Es bleibt spannend bis in die letzte Minute. Sie geben alles. Alle. Die Spieler, die Fans und auch die Journalisten, die links auf der Tribüne neben uns eifrig tippen.
Sieg! Jetzt haben die Dortmunder doch das Spiel gewonnen. „Na, sag ich dir doch, dass wir die besten sind um Fussballfan zu werden“ meint der beleibte Herr. Irgendwie sind hier alle etwas älter auf diesen Rängen. Und beleibt. Wer von denen wohl noch selbst ab und zu einen Ball kickt? Recht hat er trotzdem.
Während dem Spiel sind alle Spieler zu Spielfiguren geworden. Der Marco, der Roman und der Robert. Jeder spricht hier so von ihnen als wären sie ihre kleinen Jungs. So viel Fußballfieber. Und trotzdem etwas gesettelt. Zumindest im Vergleich zu den rotierenden Fans im BVB-Sektor unten.
Im Bus zurück ins Hotel werden Zukunftspläne für die Mannschaft geschmiedet. Neben mir diskutieren zwei welcher der letzten drei Einkäufe nun der beste war. Welcher hat sich am meisten rentiert. Schön, die gekaufte Familie.
Weil nun alle durch die dreistündige Trinkpause etwas ausgenüchtert sind und mit den Nerven sichtlich am Ende fallen die Gesänge am Heimweg leiser aus. Aber ein Bier an der Bar wird man sich noch genehmigen. So wie der Kevin, dem hat sein Trainer heute auch eins an der Hotelbar erlaubt…
Kommst du Abends besoffen nach Haus,
meckert dich deine Alte gleich aus.
Wo kommst du her, du besoffenes Schwein?
Vom BVB, mein Verein
Ich für meinen Teil lasse das Bier heute Bier sein und falle hundemüde ins Bett. Was für ein Tag!
Die Krönung für mich wartet am Schluss. Am Rückflug schaue ich einen Teeniefilm und fühle mich beim Aussteigen keine Spur älter als 14. 14 ist ein gutes Alter um jemand um ein Autogramm zu bitten finde ich.
Also frage ich sie. Die Jungen in den schicken schwarzen Anzügen mit weißem Hemd, die auf ihr Gepäck warten. Erst den Reus, dann den Schieber. Ich blicke mich um. Damn, der Roman mit den schönen Augen und dem sympathischen Lächeln gibt gerade ein Interview. Aber dann. Dann nehme ich meinen ganzen Mut zusammen und spreche ihn an. Meine Knie sind ein bisschen weich. So ein schöner Mann, Torwartfehler hin oder her…
Tja. Und jetzt?
Jetzt bin ich wohl Fußballfan. Fan vom Spiel. Und Fan von den Spielern.
Mit den Fans kann ich mich noch nicht wirklich identifizieren. Aber vielleicht bin ich dazu noch zu kurz dabei. Eins steht fest, es ist bei weitem nicht so langweilig oder furchtbar wie ich immer dachte. Man muss sich nur ein wenig damit beschäftigen.
Dann klappt’s auch mit dem Fußball.
Offenlegung: Vielen Dank an Turkish Airlines, die mich eingeladen haben das Spektakel live zu erleben und mit dem BVB-Flieger mitzufliegen. Alle Meinungen bleiben wie gewohnt meine eigenen.