Last Updated on 23/03/2020 by Lea
Wenn es etwas gibt, was ich auf Reisen besonders gerne mache, dann ist es etwas lernen. Da macht es um Welten mehr Spaß als in der Schule und meistens sind es dann auch noch so richtig nützliche Dinge. Zweckvolle Mitbringsel, wenn man so will. Fertigkeiten, die man zuhause nicht hätte erlernen können. Manchmal geht das ganz leicht, manchmal ist das verdammt schwer. Gerade beim Essen mag es an den richtigen Zutaten liegen. Oder auch am richtigen Dreh. Oder am richtigen Geschüttle, wie vor Kurzem im Ultental in Südtirol.
Meine Hände umklammern das dünne, runde Brett auf dem der runde Teigball fröhlich auf und ab springt. Auf und ab. Ab und auf, mal gefährlich nah am Brettrand, dann wieder gut mittig gefangen. Dabei passiert so einiges. Das meiste leider rund um mich und nicht auf meinem Brett. Denn eins muss ich schnell feststellen: seine Form verändert der Teig nur ungern. Dabei ist doch gerade das essentiell um traditionell von Hand geschütteltes Südtiroler Schüttelbrot herzustellen.
Hannes Schwienbacher und sein Vater Richard Schwienbacher von der Ultner Brot Bäckerei in St. Walburg beruhigen mich. Auch ihre zehn Bäcker haben alle eine mehrwöchige Lernphase hinter sich gelegt, bis sie das mit dem Schütteln für den Betrieb perfektioniert hatten. Die beiden hingegen drehen und schupfen ihre Bretter wie im Schlaf. Eine Brotfladen nach der anderen wandert sanft aufs Backblech, während ich immer noch auf meinen ersten Versuch konzentriere, der immer noch seiner runden Form frohlockt.
Zu Besuch in der Ultner Brot Bäckerei
Es ist Ostermontag im Ultental. Touristen sind uns am Weg in die Bäckerei keine begegnet und auch im Cafe des Bäckerei scheinen großteils Einheimische zu sitzen. Nach den Schneemassen im Winter scheint nun Zwischensaison zu sein. Selbst die Stauseen wirken etwas leer und noch nicht fotogen für die Sommersaison. Dafür waren sich immerhin alle Befragten bei den Weganweisungen zur Bäckerei alle einig: circa einen halben Kilometer bis zum Dorfplatz und dort links. Dass der Dorfplatz unter Umständen für Fremde nicht gleich zu erkennen sein könnte, hat sich hier wohl noch nie jemand gefragt. Das passiert dann eben nur wenn zwei Städterinnen am Land den Dorfplatz suchen, wie ich mit meiner Mutter an diesen etwas regnerischen Montag.
Das Val d’Ultimo, wie das Ultental auf italienisch heißt, ist eins der urigsten Täler Südtirols. Lange war das etwa 40km lange Tal zwischen Lana im Meraner Land und der Ortlergruppe nur sehr beschwerlich auf einer kurvigen Straße zu erreichen. Erst 1907 wurde die erste Straße nach Walburg gebaut. Ein Meilenstein für die Entwicklung des Tals. Aber schon Anfang der 50er Jahre war es damit wieder vorbei, als Mussolini den Bau mehrerer Stauseen im Tal beauftragte.
So kam es, dass während andere Täler touristisch sehr gut erschlossen wurde, man heute noch im Ultental verhältnismäßig wenig Touristen sieht. Ein glücklicher historischer Zufall für alle, die heute das ursprüngliche Südtirol kennenlernen wollen und an alter Tradition und Handwerk interessiert sind. Oder all jene, die auf Skischaukeln und Après-Ski Mekkas pfeifen und es gern familiär und überblickbar haben. Qualitäten, die durchaus dem aktuellen Zeitgeist von Ökostrom, Landlust und Zurück zur Natur entgegenkommen. Der Rückkehr zur Sortenvielfalt und alten Rezepten. Wie dem des Schüttelbrots.
Entweder man liebt es, oder…
Bei mir war es Liebe auf den ersten Biss. Egal ob mit frischer Bauernbutter, Speck und Essiggurke oder mit Marmelade und Schokostreusel. Wenn ihr mich fragt, kann man sich von Schüttelbrot den ganzen Tag ernähren, dabei ist nur eins wichtig: der Knusperfaktor.
Für die beiden Bäcker zählt natürlich mehr dazu. „Bei uns muss Weizenkleie unten dran kleben, denn daran erkennt man, dass das Brot auch wirklich von Hand geschütttelt wird“ wird mir erklärt. Und in der Mitte sollte sich ein Herz bilden. Ebenfalls ein Zeichen der Manufaktur des Brotes.
Nur die besten Zutaten kommen in den Teig
Geheimnisse hat er keine, meint Hannes Schwienbauer lachend, als er die Zutaten vor meinen Augen zusammen mischt. Ganz nehme ich ihm das nicht ab, bis wir ein wenig später beim Schütteln angelangt sind. Hier liegt wohl das Geheimnis: der richtige Dreh. Vielleicht ist es auch das gehaltvolle Quellwasser, dass oberhalb des Ortes entspringt und das hier verwendet wird. Oder die richtige Gewürzmischung?
Erst muss der Teig noch ein wenig ruhen, denn gut Ding braucht Weile. Sobald er dann ausreichend aufgegangen ist geht das Schütteln los. Geübte Bäcker werfen das Brot nur wenige Male, bis es bereits in perfekter Form landet und ab in den Ofen geschoben wird.
Neben Schüttelbrot hat die Bäckerei in den letzten Jahren ihre Produktpalette immer weiter ausgebaut. Jetzt gibt es auch Schüttelbrot Grissini, Herrenfutter Keks oder Müsli-Chips. Die Zutaten werden wie auch beim Schüttelbrot achtsam ausgesucht und kommen aus biologischem Anbau.
Drei Brote und einige Erzählungen von Skitouren und Paragleit-Strecken komme ich zu dem recht spontanen Entschluss bald wieder hierher zukommen. Bergbauernhöfe soll es ja schließlich auch sehr schöne geben. Sowie auch junge Bergbauern, wie ich sofort informiert werde. „Tja, da müsste ich dann wohl mal länger kommen“ sage ich scherzhaft und werde sofort zurecht gewiesen „vermutlich gar nicht so lang“. Bei 3.000 Einwohnern im Tal, sind nicht nur Arbeitsplätze manchmal Mangelware und es soll schon mal vorkommen, dass man als Lehrling an einem Tag in der Backstube steht und am anderen (ein paar Jahre später) seinen eigenen Betrieb im Tal führt.
Schüttelbrot Rezept aus dem Ultental
Zutaten:
- zB 500g Roggenmehl
- 15% Weizenmehl
- 3% Hefe
- 2% Salz
- 3% Gewürze (hauptsächlich geriebener Brotklee, Kümmel und Fenchel)
Zubereitung:
Mit gleich viel Wasser wie Mehl vermischen und kneten bis ein homogener Teig entsteht. Aus dem lockeren Teig werden dann circa 10cm große Laibe geformt, die eine halbe Stunde aufgehen. Dann ist der Teig fertig zum Schütteln.
Gebacken wird das Brot recht lange bei hohen Temperaturen, bis es goldbraun ist und das Herz in der Mitte klar zu erkennen ist. Fertiges Schüttelbrot hält gut ein halbes Jahr, meistens sogar noch länger.
Das Ultner Brot Schüttelbrot gibt es mehreren Filialen in Südtirol, sowie auch online zu bestellen, zB hier, oder hier oder auch hier.
Für das nächste halbe Jahr bin ich nun mit Schüttelbrot versorgt. Und dann stellt sich wohl die Frage: selbst schütteln oder ins Auto steigen und ins Ultental fahren Nachschub besorgen?
Weitere Infos:
Bäckerei Ultner Brot
Website: www.ultner-brot.it
Dorfplatz Nr. 114/a
I-39016 St. Walburg im Ultental
Öffnungszeiten:
Ich liebe Schüttelbrot! Aber das back ich Ausnahmsweise nicht nach.
Ich fahr lieber wieder hin :)
ONELOVE Schüttelbrot! <3
Schüttelbrot ist grandios!!! Gibt’s bei den Gewürzen noch etwas mehr Hinweise, dann muss ich das mal ausprobieren.
Toller Bericht – danke fürs Schreiben! Schüttelbrot ist das Beste!
LG Nela
http://travel.asktherabbit.net
wie wird geschüttelt?,
leider kann ich das auf dem Foto nicht erkennen.
Hallo Ingrid,
das ist recht schwierig mit Worten zu erklären – am besten siehst du dir dazu ein YouTube Video an. zB dieses hier direkt von ultnerbrot: https://www.youtube.com/watch?v=oYAnIH4fAbI
Viel Erfolg!