Last Updated on 08/10/2019 by Lea

Auf gewisse Art und Weise reisen wir alle. Wir reisen von der Vergangenheit in die Zukunft. Manchmal denken wir darüber nach wohin die Reise gehen soll, manchmal lassen wir uns einfach treiben. Manchmal lastet unsere Vergangenheit schwer auf unseren Schultern und manchmal lassen wir sie einfach am Wegrand stehen um unbeschwert weiterzureisen. Wer denkt, dass dieses ständige Reisen durchs Leben angehalten wird, sobald man seine Heimat verlässt, irrt.

In meiner Erfahrung beschleunigen Reisen an andere geographische Orte unser Leben. Wir reisen schneller als zuhause. Wir erleben meist mehr in weniger Zeit, erweitern unseren Horizont und sehen die Welt aus neuen Perspektiven. Wir realisieren dies oft erst,wenn wir wieder heimkehren und erkennen müssen, dass sich nichts verändert hat. Ein Gefühl, das wohl die meisten, die einmal länger auf Reisen waren, nur allzugut kennen werden.

Wir machen uns auf in die Welt um über andere zu lernen und neue Gedanken aufzuschnappen. Wir sind voller Vorfreude und Übermut. Manchmal verlassen wir auf unseren Reisen unsere üblichen Verhaltensmuster und „Comfort Zones“. Wir probieren neue Sachen, von denen wir zuhause nicht gewagt hätten zu träumen. Ab und zu eignen wir uns neue Eigenschaften an, die uns noch jahrelang begleiten werden.

Ich habe die letzten Tage weit weg von so ziemlich allem verbracht.* Ein schöner – nicht paradiesisch, aber gut genug- Strand auf einer kleinen Insel in Thailand, welche nur mit einem Boot erreicht werden kann. Die Familie, welche uns einen ihrer vier Bungalows vermietet, spricht kaum Englisch, aber lächelt viel. Es ist ein guter Platz um eine Zeit lang zu verweilen und auf Entdeckungstour zu gehen. Es gibt Muscheln, die gefunden werden wollen, Flut und Ebbe, die man vom Strand aus beobachten kann. Es gibt sogar eine kleine Insel in nicht allzuweiter Ferne, zu der man spazieren könnte. Nur hatte ich bisher keine Zeit dafür. Ich war beschäftigt damit Entscheidungen zu treffen. Rechts oder links. Banana Pancake oder gebratener Reise. Ist es bereits Zeit aufzustehen und Insektenspray aufzutragen, oder halte ich es noch aus gebissen zu werden? Es tut gut, wenn rundum alles scheinbar eine Spur langsamer wird.

Wenn man wollte, könnte man hierher kommen und tagelang ohne ein einziges gesprochenes Wort auskommen.

Einfachheit und Anspruchslosigkeit. Keine Ansprüche an mich und die Welt. Eine schöner Gedanke, der mir gefällt und dem ich versuchen will zu folgen. Und dennoch lässt er unglaublich viel Zeit zum Nachdenken. Die Gedanken fangen schnell an zu wandern. Es fängt mit der unmittelbaren Vergangenheit an, doch diese Erinnerungen sind die ersten die mit der Zeit verbleichen. Man fragt sich was man wohl vor einem Jahr getrieben hat. Oder vor zwei.

Plötzlich steht man vor der Frage, wie man wohl hier gelandet ist und was im Leben wohl richtig gelaufen ist. Schließlich sitzt man an diesem wunderschönen Ort und das bedeutet wohl, dass man irgendetwas verdammt richtig gemacht haben muss, richtig? Und schon erwischt man sich dabei wie man darüber nachdenkt was wohl nicht so gut gelaufen ist. Gedanken, die einen bitteren Geschmack hinterlassen haben, und trübsinnige Erinnerungen – oder noch schlimmer – ungeklärte Fragen. Und schon ist man im Netz der Gedankenwelt gefangen.

Ich habe in den letzten Jahren gelernt, dass ich jemand bin, der gerne alles versteht. Ich brauche eine Geschichte in meinem Kopf, die mir das Leben erklärt. Manchmal kommen diese Geschichten von jemand anderem, manchmal kann ich sie mir selbst zusammenreimen. Und, was wenn das nicht klappt? Dann bleibt für manche Menschen nur mehr ihr Glaube. Der Glaube an einen allmächtigen Gott, jemanden der mehr weiß als man selbst und der an den Strängen zieht. Für mich ist es das Gute im Menschen, an das ich glaube. Ich vertraue mir bei den Entscheidungen, die ich getroffen habe, meinen Wurzeln und den Menschen, die ich meine Freunde nennen kann. Selbst die Fehler, die ich gemacht habe, zählen hier dazu. Denn aus den Fehlern habe ich ab und zu auch gelernt und es versucht beim nächsten Mal besser zu machen.

„Alles wird gut. Und wenn es nicht gut ist, ist es nicht das Ende“ – ein abgegriffener Spruch, dessen Aussage nichts desto trotz etwas sehr beruhigendes hat. Ich denke, auch das ist ein Teil des Reisens. Reisen, indem man auf die Zukunft vertraut und die Vergangenheit ab und zu ruhen lässt, denn irgendwann wird alles Sinn machen. Irgendwann, irgendwie. Und genau das das Schönste am Reisen.

*Dieser Text ist vor einigen Wochen in Thailand in einer Hängematte entstanden.