Last Updated on 03/01/2017 by Lea

Es ist bereits einige Jahre her, dass ich das erste Mal auf einem ausgesetzten Gipfel im Freien übernachtet habe. Meine Eindrücke von damals habe ich aufgeschrieben und aufgehoben, bis sie eines Tages in den Tiefen meines Datenchaos auf externen Festplatten versunken sind. Die Erinnerungen an die Kälte, die Sterne, den Sonnenuntergang und Aufgang sind jedoch unvergesslich geblieben. Vor ein paar Tagen habe ich die Aufzeichnungen von damals wieder gefunden. Hier eine leicht überarbeitete Version mit den unbearbeiteten Originalfotos.

Biwaktour auf den Zagelkogel 

Mitte Oktober, 180 Kilometer südlich von Wien.

Es ist bereits Nachmittag als wir beim Gasthof Bodenbauer am Fuße des Hochschwabs aus dem Auto steigen. Wie üblich hat der kurze Abstecher in den Supermarkt uns einiges an Zeit gekostet. Nun aber sind wir gut gerüstet: einige Scheiben Fitnessbrot, Burgunderschinken und grüner Pfefferkäse, Gurken und Fruchtschnitten sollen uns beim Weg auf den Gipfel begleiten.

Hohe Berge, hohe Ansprüche.

Auch ans Essen.

Vor uns die Berge und eine Nacht.

Vor uns die Berge und eine Nacht.

Wir starten auf 880 Höhenmeter und gehen anfangs gemütlich auf Waldwegen hinauf zur Trawiesalm. Hier füllen wir zum letzten Mal an einer kleinen Quelle unsere Wasserflaschen, alles was wir nun an Wasser tragen muss bis morgen Mittag ausreichen. Wenige Minuten später verlassen wir den Wanderweg auf dem jedes Jahr hunderte Wanderer über das G’hackte auf den Hochschwab steigen und steigen steil auf in ein kleines Tal. Nach einer verkommenen Eisenleiter bei der jede dritte Stufe und manchmal auch die vierte Stufe fehlt, eröffnet sich vor uns ein wunderschönes Tal. „Eine Wanderung in wilder Schönheit“ heißt es im Wanderführer und langsam erahnen wir warum.

Außer uns und ein paar Gämsen, hat sich heute wohl niemand in das Tal verirrt.

Quer über eine Geröll-Landschaft ziehen wir weiter bis zum gigantischen Eingang einer Höhle, der Wetzsteinhöhle. Der Eingang ist so massiv dass er wie eine Kathedrale wirkt. Beeindruckt gehen wir weiter und überwinden die erste kleine Kletterpassage, danach geht es steil über eine Wiese bergauf. Erst jetzt haben wir die Hälfte der Höhenmeter hinter uns und stauen etwas über unseren weiteren Weg, denn vor steht ein riesiger Turm aus Fels und ohne Markierung. Aber das wollten wir ja so. Mit Händen und Füssen ziehen wir uns die Felsen entlang hinauf und versuchen den Abhang rechts neben uns zu ignorieren.

Ich schiebe meinen Rucksack nach oben, bevor ich mich ans Klettern über eine kleine Felspassage mache. Joe steht etwas ratlos schräg unter mir und fragt etwas spöttisch, was er denn machen soll wenn ich abrutsche. Nichts, denn ein bisschen ist hier jeder auf sich gestellt. Wir lachen drüber und lassen dabei den Blick nicht vom Felsen.

Als wir schon fast um den Felsturm rundherum sind fängt mein Magen an zu knurren und meine Laune sinkt, ein typisches Frauenproblem sind sich meine Begleiter einig. Wie wahr, denn zwei Schokoriegel später ist alles wieder gut und wir nehmen die letzten 150 Höhenmeter in Angriff.

Der Zagelkogel

Der Gipfel des Zagelkogels ist schneebedeckt, vom Gipfelkreuz stehen Schneeverwehungen weg und das rote Abendlicht zaubert einen glitzernden Eisteppich. Jeder einzelne Grashalm trägt eine kleine Schneelast und mittlerweile fühlen sich unsere Finger auch so an. Bevor unsere Hände ganz einfrieren suchen wir uns einen windgeschützten Verschlag einige Meter unter dem Gipfel. Ungeduldig warten wir bis das Wasser kocht damit wir jeder genau 450ml davon in seinen Alubeutel mit getrockneter Fertignahrung leeren können. Das Gemüse Risotto und die Pasta Siciliana schmecken als wären sie vor 100 Jahren zubereitet und getrocknet worden. Wir achten darauf, dass unser Auge so wenig wie möglich mitisst, aber so ganz will uns das nicht gelingen. Als der gewünschte Sättigungseffekt dann doch endlich eintritt ist es stockdunkel und die ersten Sterne werden sichtbar. Lange halten wir es in der Kälte nicht aus und verkriechen uns in unsere Schlafsäcke, welche wir samt Isomatte in unsere Biwaksäcke stecken.

Es ist Samstag Abend, halb 9 und ich trage statt dem um diese Zeit üblichen Ausgehoutfit zwei lange Unterhosen, zwei paar Socken, zwei paar lange Funktionsshirts, eine Fleecejacke, einen Windbreaker, einen Schal, eine Haube und ein Stirnband. Schicht für Schicht verschließe ich alle Zipps und zusammen ziehbaren Verschlüsse bis ein circa 8×8 cm großes Atemloch übrig bleibt.

Schlafen kann ich trotzdem noch lange nicht und als ich dann doch endlich eingeschlafen bin wache ich wenig später durch einen spitzen Gegenstand bei meinen Füßen wieder auf. Verwirrt stelle ich fest, ca. zehn Meter den Hang bergab gerutscht zu sein und nun in einem Loch zu liegen. Also schäle ich mich aus meinen sieben Schichten und wandere wieder nach oben in den Verschlag. Am nächsten Morgen wird einer meiner Wandergefährten in dem Loch aufwache. Das Schicksal des Wegrutschens im Biwaksack scheint eine vorprogrammierte Herausforderung zu sein.

Gefühlte drei Stunden Schlaf später wache ich auf und erspähe durch mein Atemloch einen roten Streifen am Horizont. Ringsum bläst ein eisiger Wind, und als ich langsam wach werde wird mir bewusst, dass wir wirklich alleine auf dem Berg sind. Die Kälte der Nacht ist bei dem wunderschönen Anblick des Sonnenaufgangs schon fast vergessen.

Wir packen unsere Sachen und suchen den Wanderweg der uns im Laufe des Vormittags zur Häuslalm führen soll. Zum Frühstück setzen wir uns auf einen Hang in der Sonne und genießen den Ausblick über das noch im Nebel liegende Rauhtal.

Fast exakt 24 Stunden nach Beginn unsere Wanderung sind wir wieder beim Gasthof Bodenbauer angelangt und wenig später auch wieder in Wien. Für mich endet der Tag mit einer halbstündigen heißen Dusche und einem Telefonat mit der Hüttenwirtin des Schiestlhauses, welches in etwa auf derselben Höhe liegt wie unser gestriger Schlafplatz. Wie kalt es in der Nacht gewesen ist frage ich. Ihre Antwort lässt mich erschaudern und ich krieche schnell in mein warmes Bett.

Wanderung auf den Zagelkogel

Bodenbauer – Trawies – Wetzsteinhöhle – Bodenkar – Zagelkogel (2255m) – Häuslalm – Bodenbauer. Die Wanderung wird im Rother Wanderführer „Hochschwab“ auf Seite 52 und 53 beschrieben.

Webtipp für die Planung und checken der aktuellen Lage: Gipfeltreffen.at

Sehr inspirierende Ideen für „Microadventures“ gibt es übrigens Alistair Humphrey und den Pfadfinder, denen ich es wohl verdanke, Freunde gefunden zu haben, die mir als erste die Welt der kleinen Abenteuer gezeigt haben. Meine Sehnsucht nach Abenteuer weckt sich beim Anblick der Fotos von selbst, ich hoffe euch geht es ähnlich.